Nachtbürgermeister

Der Regen­bo­gen­kiez ist ein bun­ter Kiez zwi­schen Nol­len­dorf­platz, Win­ter­feld­platz, Vik­to­ria-Lui­se-Platz und Wit­ten­berg­platz. Er ist Hei­mat für vie­le unter­schied­li­che Men­schen, die hier woh­nen, und die hier arbei­ten. Und er ist ein Tou­ris­mus­ma­gnet, nicht nur auf­grund der vie­len umlie­gen­den Hotels, die zahl­lo­se Gäs­te aus allen Län­dern beher­ber­gen, son­dern auch, weil wie in kei­ner ande­ren Ber­li­ner Regi­on sich so vie­le Orte und Geschäf­te sam­meln, die sich den LSBT*-Szenen zuge­hö­rig füh­len. Dar­über hin­aus fin­den hier Sze­ne­fes­te wie das Les­bisch-Schwu­le-Stadt­fest, Fol­som-Stra­ßen­fest und das Oster-Leder­tref­fen statt. Der jähr­li­che Chris­to­pher-Street-Day zieht mit sei­nem Demons­tra­ti­ons­zug am Nol­len­dorf­platz ent­lang. Hier liegt der Regen­bo­gen­kiez, mit einer ein­hun­dert jäh­ri­gen Geschich­te. Es sind die vie­len unter­schied­li­chen Men­schen und Inter­es­sen, die im Regen­bo­gen­kiez auf­ein­an­der­tref­fen und des­halb auch Infor­ma­ti­ons­be­darf und Kon­flik­te mit sich brin­gen. Auch Kri­mi­na­li­tät zählt dazu. Das Bezirks­amt Tem­pel­hof-Schö­ne­berg reagiert nun und schafft die Funk­ti­on eines Nacht­bür­ger­meis­ters im Regenbogenkiez. 

Mit der Umset­zung des Nacht­bür­ger­meis­ters wur­de MANEO beauf­tragt – ein seit 30 Jah­ren enga­gier­ter und erfah­re­ner Akteur in der Gewalt­prä­ven­ti­ons­ar­beit, der immer wie­der als Mode­ra­tor, Ver­mitt­ler und Initia­tor von Initia­ti­ven im Regen­bo­gen­kiez wirkt. Anfang März wird MANEO mit dem Team Nacht­bür­ger­meis­ter an den Start gehen.

Team Nacht­bür­ger­meis­ter

Im Blick ste­hen die vie­len unter­schied­li­chen Inter­es­sen, die Kon­flik­te in den tag­täg­li­chen Begeg­nun­gen und Inter­ak­tio­nen im Regen­bo­gen­kiez mit sich brin­gen, bei­spiels­wei­se im Bereich Tou­ris­mus. Gäs­te nut­zen nicht nur Hotels, son­dern auch pri­va­te Woh­nun­gen, zie­hen nachts laut durch die Stra­ßen oder gera­ten anein­an­der, suchen Ori­en­tie­rung und Hil­fe, oder wer­den von Kri­mi­nel­len bedroht und aus­ge­raubt. Unsi­cher­hei­ten oder Pro­ble­me zei­gen sich auf vie­len Sei­ten. Mit dem Team Nacht­bür­ger­meis­ter ste­hen jetzt Ansprech­per­so­nen für alle im Regen­bo­gen­kiez zur Ver­fü­gung. Ziel ist es, zu ver­net­zen und zu ver­mit­teln, bei­spiels­wei­se die Bedeu­tung des Nacht­le­bens, oder zwi­schen Gewer­be­trei­ben­den als Veranstalter*innen, Anwoh­nen­de und Ver­wal­tung. Es geht dar­um, auch die Poli­tik zu errei­chen, um den Regen­bo­gen­kiez in sei­ner his­to­ri­schen, kul­tu­rel­len und wirt­schaft­li­chen Bedeu­tung dar­zu­stel­len und zu bewer­ben. Es sol­len mehr Infor­ma­tio­nen über den Regen­bo­gen­kiez bereit­ge­stellt und mehr mit­ein­an­der kom­mu­ni­ziert werden.

Das „Team Nacht­bür­ger­meis­ter“ koor­di­niert sei­ne Arbeit in einem fes­ten Büro bei MANEO, wo die Fäden zusam­men laufen.

Nacht­lich­ter

Zeit­gleich mit dem Team Nacht­bür­ger­meis­ter nimmt das Pro­jekt ‚Nacht­lich­ter‘ als zwei­tes vom Bezirks­amt beauf­trag­tes Pro­jekt sei­ne Arbeit auf. Ziel der Arbeit der ‚Nacht­lich­ter‘ ist es, sozia­le Kon­troll­funk­tio­nen auf den Stra­ßen des Kiezes zu ver­stär­ken. Sie sol­len in der Nacht­zeit an Wochen­en­den (Fr./Sa. und Sa./So.) und vor Fei­er­ta­gen am Info-Punkt und auf den Stra­ßen ansprech­bar sein und Hil­fe­stel­lun­gen bie­ten. Mit die­ser Auf­ga­be wur­de die Fir­ma „SI hoch 3“ beauf­tragt.

Wenn die ‚Nacht­lich­ter‘ durch den Sze­ne­kiez gehen, bie­ten sie Ansprech­bar­keit und Infor­ma­tio­nen, bei­spiels­wei­se wenn Tou­ris­ten nach Ori­en­tie­rung suchen, wenn Men­schen in Not gera­ten oder wenn Gefah­ren beob­ach­tet wer­den und die Poli­zei ver­stän­digt wer­den muss.

Info-Punkt 

Gemein­sam wer­den Team Nacht­bür­ger­meis­ter und Nacht­lich­ter einen neu geschaf­fe­nen Info-Punkt im Regen­bo­gen­kiez bezie­hen. Dabei han­delt es sich um ein ‚Tiny House‘, das im Auf­trag von visit­Ber­lin (finan­ziert durch die Senats­ver­wal­tung für Wirt­schaft, Ener­gie und Betrie­be) für die Ber­li­ner Bezir­ke gebaut wur­de und auf dem Bür­ger­platz Fug­ger­stra­ße Ecke Eisen­acher Stra­ße auf­ge­stellt wird.

Über den Info­punkt wird in ers­ter Linie kom­mu­ni­ziert und infor­miert. Die ange­spro­chen Ziel­grup­pen sind Tourist*innen, die den Kiez besu­chen wol­len, aber auch Hotels und Gäs­te­un­ter­künf­te in der nähe­ren Umge­bung, die Infor­ma­tio­nen über Ange­bo­te und die Geschich­te des Regen­bo­gen­kiezes wei­ter geben möch­ten. Dazu zäh­len außer­dem Anwo­he­n­en­de, die hier Anlie­gen und Anre­gun­gen ein­brin­gen kön­nen oder mehr über Ange­bo­te des Kiezes erfah­ren möchten.

Des­halb wird auch das Team Nacht­bür­ger­meis­ter mit sei­nem „Koor­di­na­tor Info-Punkt“ im ‚Tiny-House‘ eben­falls regel­mä­ßi­ge Sprech­zei­ten anbie­ten, vor­erst täg­lich am spä­ten Nachmittag.

Pilot­pro­jekt

Die Vor­ha­ben sind für die kom­men­den zwei Jah­re finan­ziert. Zuwen­dun­gen erhält der Bezirk dafür von der Lan­des­kom­mis­si­on Ber­lin gegen Gewalt (Senats­ver­wal­tung für Inne­res) und der Senats­ver­wal­tung für Wirt­schaft, Ener­gie und Betrie­be (Tou­ris­mus). In die­ser Zeit sol­len die gesam­mel­ten Erfah­run­gen in den Pro­jek­ten aus­ge­wer­tet und zu einer zukunfts­wei­sen­den Kon­zep­ti­on der Arbeit führen.

Prä­ven­ti­ons­rat Regenbogenkiez

Nach gut ein­jäh­ri­ger Vor­be­rei­tungs­zeit tag­te im Herbst 2019 erst­mals der Prä­ven­ti­ons­rat Regen­bo­gen­kiez. Der Prä­ven­ti­ons­rat setzt sich aus der­zeit acht ‚Impuls­grup­pen‘ zusam­men, die zu unter­schied­li­chen The­men und Inter­es­sen gegrün­det wur­den und zu denen regel­mä­ßig enga­gier­te Kiezakteur*innen ein­ge­la­den wer­den. Bis­lang gibt es acht Gesprächs­run­den: mit Gas­tro­no­men, Gewer­be­trei­ben­den, Hotels, für den Regen­bo­gen­kiez zustän­di­ge Bezirksamtsvertreter*innen, Jugend­ein­rich­tun­gen und Schu­len, Anwoh­nen­de sowie eine Gesprächs­run­de zum The­ma EU-Zuge­wan­der­te und zum Bür­ger­platz. Die Impuls­grup­pen, die vier Mal im Jahr zusam­men kom­men, wer­den seit 2018 von MANEO orga­ni­siert, eben­so der Prä­ven­ti­ons­rat Regen­bo­gen­kiez, der sich zwei Mal im Jahr trifft.

Impuls­grup­pen und Prä­ven­ti­ons­rat Regen­bo­gen­kiez ste­hen mit dem Team Nacht­bür­ger­meis­ter in stän­di­gem Aus­tausch, weil in dem Team die ent­spre­chen­den Koor­di­na­to­ren des Prä­ven­ti­ons­ra­tes und der Impuls­grup­pen mitwirken.

Der Regen­bo­gen­kiez – ein his­to­ri­scher und leben­di­ger Ort

Schon in den 20er und 30er Jah­ren behei­ma­te­te der Kiez und umlie­gen­de Stra­ßen ein­schlä­gi­ge Loka­le, die Tou­ris­ten aus aller Welt besuch­ten. Seit 2013 leuch­te­te die regen­bo­gen­far­be­ne Kup­pel­be­leuch­tung des U‑Bahnhofes Nol­len­dorf­platz und weist Besu­cher auf den Regen­bo­gen­kiez hin. Es ist vor allem der Pri­vat­in­itia­ti­ve vie­ler enga­gier­ter Men­schen und Gewer­be­trei­ben­den zu ver­dan­ken, dass sich nach Nazi­ter­ror und Gewalt­herr­schaft im Drit­ten Reich an die­sem Ort wie­der zahl­rei­che Sze­ne­or­te ansie­del­ten und auch die Unter­drü­ckung und straf­recht­li­che Ver­fol­gung von LSBT* in den 50er und 60er Jah­re der neu­en Bun­des­re­pu­blik über­stan­den haben. Als mit dem Aus­bruch von AIDS in den 80er Jah­ren die schwu­len Sub­kul­tu­ren erneut mas­siv betrof­fen und bedroht waren, haben sich gera­de hier zahl­lo­se Men­schen ehren­amt­lich und in Pro­jek­ten enga­giert, um die anfangs feh­len­de öffent­li­che För­de­rung von Auf­klä­rungs- und Unter­stüt­zungs­ar­beit auf­zu­fan­gen und Spen­den zu sam­meln. Die­se Arbeit dau­ert bis heu­te an.

Trotz recht­li­cher Gleich­stel­lungs­er­run­gen­schaf­ten in Deutsch­land ist die Dis­kri­mi­nie­rung und Unter­drü­ckung von LSBT* nicht vor­bei, weder in Ber­lin, in Deutsch­land, noch in der Welt. Sie setzt sich fort und zeigt sich im All­tag an unter­schied­li­chen Vor­ur­teils­merk­ma­len und Aus­gren­zungs­for­men, auch in offe­nen Hass­kom­men­ta­ren, Bedro­hun­gen und in tät­li­chen Über­grif­fen auf der Stra­ße. Des­halb ver­bin­den LSBT* mit ihren Sze­ne­or­ten immer auch die Suche nach Frei­heit, sein zu dür­fen wie sie sind; vie­le haben auch den Wunsch, ihrer erdrü­cken­den All­tags­rea­li­tät für kur­ze Zeit zu ent­flie­hen. Für vie­le ist der Regen­bo­gen­kiez des­halb ein beson­de­rer Ort.

Der Regen­bo­gen­kiez ist heu­te ein bun­ter Kiez. Im Regen­bo­gen­kiez lie­gen heu­te Schu­len, Kitas, Kli­ni­ken, ein Stu­die­ren­den­wohn­heim, Spiel­plät­ze, das Metro­pol als Ver­an­stal­tungs­ort, Super­märk­te, Beklei­dungs­ge­schäf­te, Bücher­ge­schäf­te, Apo­the­ken, Arzt­pra­xen, Anti­qui­tä­ten­ge­schäf­te, Gale­rien, klei­ne Werk­stät­ten und vie­les mehr. Mehr als 30 Hotels und Pen­sio­nen lie­gen im Kiez und in unmit­tel­ba­rer Nach­bar­schaft. Men­schen aus vie­len Län­dern besu­chen die Stadt. Im Regen­bo­gen­kiez und den angren­zen­den Stra­ßen trifft man aber auch auf Sex­ar­beit, Dro­gen­kon­sum und Obdach­lo­sig­keit, damit auf viel­schich­ti­ge Fol­gen und sozia­le Her­aus­for­de­run­gen. Hier tref­fen vie­le unter­schied­li­che Vor­stel­lun­gen und Inter­es­sen auf­ein­an­der. Des­halb ist Ver­net­zung, Kom­mu­ni­ka­ti­on und Ver­mitt­lung im Regen­bo­gen­kiez wich­tig. Das, was den Regen­bo­gen­kiez aus­macht, muss bewahrt und behut­sam wei­ter ent­wi­ckelt werden.